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Professionelles Verhandlungstraining ist der Grundstein für erfolgreiche Verhandlungsergebnisse. Denn Verhandeln ist eine Wissenschaft für sich. Vor vierzig Jahren revolutionierten der Harvard-Professor Roger Fischer und sein Co-Autor William Ury die wissenschaftliche Betrachtungsweise mit einem neuen Ansatz: dem sogenannten Harvard-Konzept. Die Win-Win-Strategie war geboren, die nicht zuletzt durch Erfolge in der internationalen Politik zunehmend an Aufmerksamkeit gewann. Wir möchten Ihnen einen kurzen Überblick über Theorie und praktische Anwendung geben.
Das Harvard-Konzept kurz erklärt
Ziel des Juristen Roger Fisher war es, effiziente Lösungen zu ermöglichen, von denen beide Seiten profitieren können. Weg vom Dominieren und Manipulieren und hin zu einem gemeinsamen Problemlösungsprozess. Mit dem Maximalziel, den Verhandlungskuchen durch effektive Zusammenarbeit zu vergrößern. Ein gemeinsames Verhandlungsergebnis, festgehalten in einem gemeinschaftlich erarbeiteten und abgestimmten Dokument, falls erforderlich unterstützt durch einen Mediator/eine Mediatorin. Typische Merkmale der Harvard-Methode sind:
Hart in der Sache, aber sanft im Umgang mit den Verhandlungspartnern
Um eine gemeinsame Problemlösung zu finden, bedarf es exzellenter kommunikativer Fähigkeiten. Eine neutrale Beurteilung wird zudem dadurch ermöglicht, die Sach- und die Beziehungsebene voneinander abzugrenzen. Auf diese Weise können Interessen ausgeglichen werden.
Diskussion auf der Sachebene
Im Fokus der Diskussion steht das Verhandlungsziel. Der Mensch hinter einer bestimmten Verhandlungsposition hingegen rückt in den Hintergrund. Stattdessen gewinnt die Fragestellung, wie sich die andere Sichtweise begründen lässt, an Bedeutung.
Interessen wiegen schwerer als Positionen
Dieser Kernpunkt sollte ebenfalls ein Schlüsselelement in Ihrem Verhandlungstraining bilden. Denn hier kommt ein wesentliches Unterscheidungsmerkmal des Harvard-Konzepts zum Vorschein. Statt sich auf eine Position – also ein vorformuliertes Verhandlungsergebnis – zu versteifen, sollten Sie die Interessen beider Seiten beleuchten und hinterfragen. Eine Position stellt im Vergleich eine Einbahnstraße dar. Betrachten Sie hingegen die Interessen, die dahinterstehen, sind vielfältige Lösungsansätze möglich. Das heißt mit anderen Worten, Ihre Chancen vergrößern sich signifikant, zumindest einen Teilerfolg zu erzielen,
Im Idealfall erreichen Sie weitaus mehr als bei Verhandlungsbeginn zu erwarten war, wie das viel zitierte Orangenbeispiel verdeutlicht. In diesem Szenario streiten sich zwei Kinder um eine Orange. Schließlich einigen sie sich darauf, die Frucht in der Mitte zu teilen. Während das eine Kind nur das Fruchtfleisch verzehrt und keinen Nutzen aus der Schale zieht, ist das andere Kind gerade an Letzterer interessiert. Denn es benötigt die abgeriebene Orangenschale als Zutat für einen Kuchenteig. Hätten sich die Streitenden also im Vorfeld über ihre Interessen ausgetauscht, wären beide in der Lage gewesen, die komplette Orange zu nutzen. Die klassische Win-Win-Situation.
Daher ist es so wichtig, die Interessen Ihrer Verhandlungspartner zu kennen und zu verstehen. Durch Verhandlungstraining lernen Sie verschiedene Fragetechniken kennen, um Ihren Verhandlungspartnern gerade diese Schlüsselinformationen möglichst frühzeitig zu entlocken. Auch eine intensive Recherche vor Verhandlungsbeginn kann Ihnen einen entscheidenden Wissensvorsprung verschaffen.
Brainstorming zur Verfeinerung der Interessenfrage
Hier ist Kreativität gefragt. Im Verhandlungsteam sammeln Sie zunächst alle Ideen – so abwegig sie auch zunächst erscheinen mögen. Versetzen Sie sich in die Situation Ihrer Verhandlungspartner und sammeln Sie „Munition“ für potenzielle Lösungsoptionen. Die Bewertung erfolgt erst im nächsten Schritt – rein inhaltlich und unabhängig von der Person oder der Position im Unternehmen. Niemand ist auf seine/ihre Idee im weiteren Verlauf der Verhandlung festgelegt.
Objektive Kriterien
Das Orangenbeispiel lässt sich nur in den seltensten Fällen auf die konkrete Verhandlungssituation übertragen. In allen anderen Fällen sind objektive Kriterien und Standards gefragt, um ein Mindestmaß an Objektivität zu gewährleisten. Hier einige Beispiele:
- Repräsentative Studien
- Marktvergleiche
- Gutachten oder Grundsatzurteile
Mit objektiven Standards verhindern Sie, dass die entscheidende Phase der Verteilung in ein Feilschen wie auf dem Basar ausartet. Haben Sie diese Frage geklärt, kommt das BATNA-Konzept ins Spiel: „best alternative to a negotiated agreement“. Ihr BATNA ersetzt die sonst übliche Verhandlungsuntergrenze, die wiederum nur eine Zahl oder Position beinhaltet. Stattdessen erarbeiten Sie im Vorfeld eine alternative Lösung, die Sie von dem aktuellen Verhandlungspartner unabhängig macht. Das heißt, Sie gehen ohne Lösungsdruck in die Verhandlung und können entsprechend souverän auftreten.
Fazit
Das Harvard-Konzept ist dem Grundprinzip nach auch heute noch aktuell und wissenschaftlich anerkannt. Da diese Strategie in der Geschäftswelt mittlerweile zum Allgemeinwissen gehört, haben sich auch Gegenstrategien herausgebildet. Das heißt, wenn Sie nicht durch ein Verhandlungstraining nach dem neuesten Erkenntnisstand geschult sind, laufen Sie Gefahr, ins offene Messer zu laufen. Jede Verhandlung ist anders. Nur durch intensives Training verschiedenster Szenarien werden Sie die erforderliche Verhandlungssicherheit erreichen. Geschulte und erfahrene Verhandler sind gegenüber Ungeübten in der Lage, vielfältige Lösungsoptionen zu entwickeln und diese auch durchzusetzen.